Eine gekürzte Fassung dieses Interviews ist in der Leserzeitung FilmgeBlätter erschienen.
FilmgeBlätter: Erst einmal vielen Dank, dass Sie trotz Ihres vollen Terminkalenders Zeit für ein Interview gefunden haben.
Robin Kahnmeyer: Ich habe mich gefreut, dass Sie sich gemeldet haben und dass es jemanden gibt, der so viel Interesse an der Synchronbranche zeigt. Das hat man ja nicht mehr so häufig.
Ich denke aber, dass die Synchronbranche mittlerweile gut angesehen ist, wenn man bedenkt, dass es im Internet sogar spezielle Foren über Synchronsprecher und -fassungen gibt – wenn man natürlich auch nicht weiß, wie viele Leute sich dort im Endeffekt tatsächlich tummeln...
Ich habe immer das Gefühl, dass es auf die Gesamtheit betrachtet doch eher relativ wenige sind. Wenn sich die Synchronstimme eines Schauspielers ändert, fällt das dann zwar ein paar Leuten auf, aber die Mehrheit bemerkt es gar nicht.
Es gibt auch immer mehr Leute – auch in meinem Freudeskreis – die lieber die (untertitelten) Originalfassungen von Filmen sehen. Bei einigen TV-Sendern war es mal eine Weile so, dass sie einen großen Teil ihres fremdsprachigen Programms mit Untertiteln versehen hatten, weil sie keinen Bock mehr hatten oder es ihnen zu teuer war, zu synchronisieren. Mittlerweile haben sie das aber eingestellt und sind wieder dazu übergegangen, Sachen zu synchronisieren. Sie haben gemerkt, dass die Leute den Sendungen gar nicht mehr richtig folgen können, wenn alles untertitelt ist.
Viele Leute regen sich ja generell immer über die Synchronfassungenn auf. Doch bei The Dark Knight Rises, in dem ich Joseph Gordon-Levitt (Robin) synchronisiere, haben in der Originalfassung selbst amerikanische CIA-Leute aber auch Banes (der Bösewicht; Anm.?d.?Red.) Schergen mit deutlichem britischem Akzent gesprochen, obwohl sie US-Amerikaner darstellen. Da frage ich mich dann, warum man sich hier darüber aufrgegt, dass Filme überhaupt synchronisiert ist, während man sich über sowas doch zumindest auch wundern müsste.
Gewisse Regisseure mögen auch gar keine Synchronfassungen. Und auch bei The Dark Knight Rises war es sehr schwierig, ihn sich vorher anzuschauen, um sich ein Bild darüber machen zu können. Da es nur zwei Kopien gab, die Chrisopher Nolan (der Regisseur; Anm.?d.?Red.) auch nicht rausgeben wollte, sollten wir ursprünglich in die USA fliegen, um uns den Film dort anzuschauen. Im Endeffekt ist es dann aber «nur» London geworden. Hier konnten wir den Film dann aber immerhin mit komplettem Bild sehen. Denn oft ist es so, dass man im Synchronstudio nur ein schwarzes Bild sieht, und erst wenn die Person, die man synchronisiert, redet, deren Kopf in einem Kreis sichtbar wird; der Rest des Bildes bleibt schwarz. Das nennt sich Rotoskopbild. So kann man also nicht sehen, was im restlichen Bild passiert. Doch das wäre eigentlich nötig, um richtig agieren zu können und auch, damit einem keine Fehler unterlaufen. Diese fallen dann meist erst bei der vollständigen Tonmischung auf.
Grund für das Rotoskopbild ist die Angst der Filmstudios, dass ansonsten Raubkopien in Umlauf gebracht werden könnten. Doch wir Synchronsprecher wären die letzten, die Raubkopien ziehen. Die Möglichkeit ist bei uns gar nicht gegeben, da die Festplatten mit dem Film- und Tonmaterial in Safes eingeschlossen werden.
Um am Anfang zu beginnen: Wie genau sind Sie zum Synchroniseren gekommen? Thomas Bräutigam schreibt ja in seinem Buch, dass Thomas Danneberg (deutsche Stimme u.?a. von Silvester Stallone, Arnold Schwarzenegger und John Cleese; Anm.?d.?Red.) Sie im Alter von 10 Jahren einfach ins Studio mitnahm. Wie kam es dazu?
Thomas Danneberg ist schon seit langer Zeit mit meinen Eltern befreundet. Und da man immer auch Kinder zum Synchronisieren braucht, hören sich Synchronsprecher erst mal im Freundeskreis um. Wenn es interessierte Kinder gibt, lässt man die mal eine kleine Rolle synchronisieren und sieht dann, ob es funktioniert.
Eine andere Möglichkeit sind Vorlesewettbewerbe. Und zu meiner Zeit gab es auch Synchronfirmen, die Annoncen in Zeitungen geschaltet haben, um Kinder zum Synchronisieren zu finden. Die wurden dann zum Probesprechen eingeladen, sodass man sehen konnte, wer es kann und wer Interesse hat.
Was war dann in diesem Zusammenhang Ihre erste Rolle?
An den genauen Titel der Sendung kann ich mich nicht mehr erinnern. Es war eine Krimigeschichte, die in einem Waisenhaus spielte, daran kann ich mich noch erinnern. Thomas Danneberg führte Regie. Doch den ersten Satz, den ich damals dann synchronisierte, weiß ich noch genau: Bei einer Befragung der Kinder musste ich antworten: «Hab' ich vergessen.»
Sie haben ja keine klassische Schauspielausbildung. Wie haben Sie es gelernt, die verschiedenen Emotion von traurig über nachdenklich bis hin zu ärgerlich oder lustig darzustellen?
Ich orientiere mich da immer am Original, das ist schon mal ein guter Ansatzpunkt, um zu sehen, wie der Schauspieler selbst diese Emotionen rüberbringt. Ins Studio geht man ja eher unvorbereitet und bekommt meist erst dort den Text, hat dann wenig Zeit, um sich vorzubereiten und muss dann beim Take sofort nur mit seiner Stimme den Ausdruck zum Bild liefern. Das macht es dann doch schon schwieriger.
Es gibt zwar gewisse Tricks, die man lernen und anwenden kann, ich finde aber, dass es vor allem eine Talentsache ist. Entweder man kann es oder man kan es nicht. So wie bestimmte Menschen ein Faible für Zahlen haben und dieser Bereich ihnen einfach liegt, so gibt es Leute, die für den Beruf des Schauspielers oder eben Synchronsprechers geeignet sind. Die können das einfach, vielleicht weil sie in ihrer Kindheit schon viele Theaterrollen gespielt haben Und das überträgt sich dann auf die Arbeit.
Die vorhin angesprochen Tricks und Kniffe hat man zwar irgendwo mal gehört, ich selbst wende sie aber selten an. Mein Talent ist es, mich in kurzer Zeit in eine Rolle hineinzuversetzen und mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln so zu agieren, dass es dem Original entspricht und glaubhaft ist.
Rhythmusgefühl ist dabei ebenfalls eine wichtige Sache. Es wird ja eine Sprache auf eine andere gelegt, und dafür versucht man, den Labial zu treffen. Das ist ein geschlossener Buchstabe wie B oder M. Ebenso verwendet man Worte, bei denen der Mund offen ist, wenn der Schauspieler ihn ebenfalls gerade geöffnet hat, damit es synchron aussieht. Das kann aber nicht immer gelingen. Daher ist der Rhythmus des Textes wichtig. Man «betrügt» dadurch zwar ein wenig das Auge, was aber gar nicht schlimm ist, wenn man es gut macht. Stimmt der Rhythmus des Textaufbaus, wirkt es dann, als ob deutsch die Sprache des amerikanischen Schauspielers wäre.
Macht es beim Anlegen einer Rolle einen Unterschied, ob Sie den Charakter mögen oder nicht?
Es hilft natürlich, wenn man die Rolle mag, wenn einem derjenige sympathisch ist und man eine Verbindung zu ihm hat. Manchmal muss man sich aber auch in Rollen hineinverstzen, die einem nicht so viel Spaß machen oder einem nicht so liegen. Doch das ist wie in jedem anderen Beruf: Es gibt solche und solche Tage.
Ein Charakter wie Shawn Spencer aus der TV-Serie Psych ist ja sehr extrovertiert, oft übertrieben und wild gestikulienrend an der Grenze zu Karikatur. Spielen Sie beim Sprechen diese Gestik dann mit?
Man bewegt bspw. schon manchmal die Arme, macht die Bewegungen des Charakters mit, empfindet den Rhthmus nach, aber man stellt natürlich nicht jede Geste oder Aktion nach.
Haben Sie bei der Ausgestaltung der Dialoge ein gewisses Mitspracherecht oder muss der Text genau so gesprochen werden, wie er im Dialogbuch steht?
Das Synchronbuch ist nicht die Bibel, aber man sollte sich schon danach richten, vor allem wenn der Text bei Kinofilmen von einem Supervisor abgenommen wurde. Man kann aber, wenn man dann beim Sprechen merkt, dass etwas nicht synchron ist, oder man ein Wort hat, das nicht so passt, Vorschläge machen. Der Redakteur oder der Supervisor sind in der Regel dafür offen, und wenn der Sinn dann noch erhalten bleibt, kann man die entsprechenden Stellen natürlich ändern.
In den «Golden Zeiten» der Synchronbranche hatte man zum Erstellen der deutschen Fassungen ja noch viel Zeit. Wie ist das heutzutage?
Das Tempo hat natürlich zugenommen, aber auch die Technik hat sicher weiterentwickelt. Früher mussten ja bei jedem zu wiederholenden Take erst die Filmrolle und das Tonband zurückgespult oder gewechselt werden, was zusätzliche Zeit in Anspruch nahm. Das fällt bei der Digitaltechnik heute natürlich weg und ist somit viel einfacher und zeitsparender.
Früher kamen Filme in Deutschland auch nicht parallel zum Erscheinen in den USA ins Kino oder erfolgreiche Serien nicht sofort in Deutschland ins Fernsehen. Da konnte man sich natürlich fürs Erstellen der Synchronfassungen mehr Zeit lassen. Heutzutage gibt es mehr Fernsehsender, es kommen mehr Filme ins Kino und dadurch ist mehr Material da, das bewältigt werden muss. Das ist nicht zu unterschätzen. Es werden viel mehr Takes am Tag synchronisiert als noch vor ein paar Jahren.
Wer kümmert sich um die Rollenauswahl? Rufen Sie sich bei den Synchronstudios in Erinnerung, wenn ein neuer Film oder eine neue Serie mit einem Schauspieler, den Sie schon öfter gesprochen hatten, synchronisiert werden soll? Oder werden Sie dann automatisch besetzt?
Man schaut zwar, welche Projekte ein Schauspieler, den man schon mal gesprochen hat, als nächstes macht, doch in der Regel kommt das Synchronstudio auf einen zu. Oft wird heutzuge dann auch ein Probesprechen gemacht. Das war jetzt auch bei der TV-Serie Elementary der Fall. Obwohl ich Johnny Lee Miller (der Hauptdarsteller in Rolle von Sherlock Holmes; Anm.?d.?Red.) schon in der Serie Eli Stone gesprochen hatte, musste ich für die neue Rolle ein Probesprechen machen. Meist achten die Aufnahmeleiter zwar darauf, ob man einen Schauspieler schon mal gesprochen hat, um für ihn dann wieder besetzt zu werden. Doch erst letztens ist es mir passiert, dass ich ein Probesprechen für den neuen Film eines Schauspielers, den ich schon öfter gesprochen hatte, hatte, letztendlich dann aber von den Verantwortlichen in den USA entschieden wurde, einen anderen Sprecher zu besetzen. Damit muss man dann leider leben.
Wie in einem der tragischsten Fälle, als Wolfgang Draeger nach über 40 Jahren als Stammsprecher Woody Allens für dessen neuen Film To Rome With Love nicht mehr besetzt wurde, weil seine Stimme den Verantwortlichen zu alt klang. Draeger erklärte zwar, er habe kurz zuvor eine komplizierte Zahn-OP gehabt, doch es nutzte nichts. Ich finde, hier wird dann zu wenig ans Publikum gedacht, das sich an diesen Sprecher ja mehr als gewöhnt hatte.
Das liegt dann leider nicht in unserer Hand, denn das wird meist von den Studios in Amerika entschieden. Viele wollen aber auch, dass immer der gleiche Sprecher spricht.
Man muss allerdings auch sagen, dass Stimmen natürlich auch altern. Und unsere Stimmen sind unser Kapital. Darauf müssen wir achten, wie Sportler auf ihren Körper. Würde man jeden Tag eine Falsche Whisky trinken und eine Stange Zigaretten rauchen, dann würde man das der Stimme irgendwann natürlich auch anmerken, und dann könnte man solch einen anstrengenden Job, der so viel Konzentration erfordert, auch nicht so viele Jahre machen. Man braucht dafür eine gewisse Fitness. Früher war es möglicherweise nicht so schlimm, wenn man abends mal länger gefeiert hat und dann nicht jeder Take saß, man hatte einfach etwas mehr Zeit. Doch heute, da so viel synchronisiert wird, ist es eher wichtig, dass man frisch und ausgeruht im Studio ist.
Sind Sie beim Synchronisieren alleine im Studio oder mit den Sprechern der entsprechenden Szenen zusammen?
Inzwischen ist es so, dass man fast immer alleine ist, besonders bei Kinofilmen. Doch auch bei Fernsehserien ist das immer häufiger der Fall. Vor allem wenn man eine Hauptrolle hat, wird man alleine aufgenommen, nicht zuletzt, weil es die finanziell vernünftigere Lösung ist, anstatt Termine mit mehreren Sprechern abzugleichen.
Auch kann es technische Probeme geben, wenn zwei Sprecher gleichzeitig aufnehmen, weil beispielsweise ihre Stimmen überlappen oder der eine weiter vom Mikrofon weg steht als der andere.
Welche Rolle ist für Sie die größte Herausforderung gewesen?
Im Moment ist es Elementary, aber auch Psych, weil das sehr textintensive Rollen sind. Dadurch hat man dann den ganzen Tag viel zu sprechen, was auch sehr anstrengend ist. Es macht aber Spaß, weil die Rollen eine Menge hergeben und es außerdem anspruchsvoll ist, solch eine Rolle mit Leben zu füllen – das fordert einen natürlich, was aber gut ist –, doch es ist auch zeitaufwändig. Und wenn man dann mal einen ganzen Tag eine Folge Elementary gesprochen hat und abends nach Hause geht, dann weiß man, was man gemacht hat (lacht).
Haben Sie eine Lieblingsrolle?
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich mache den Job wirklich sehr gerne und mache ihn ja auch schon sehr lange. Und da macht es wirklich immer wieder Spaß, ins Synchronatelier zu gehen, denn jede Rolle ist immer wieder eine neue Herausforderung. Die Abwechslung spielt dabei eine große Rolle. Man weiß ja nie so richtig: Was mache ich heute? Was erwartet mich? Das sorgt einfach für eine Menge Farbe in meinem Beruf. Und das ist es, was mir dabei so großen Spaß macht.
Haben Sie ein Vorbild unter den deutschen Synchronsprechern?
Nur einen zu nennen, würde mir schwerfallen. In der Generation, mit der ich aufgewachsen bin, gibt es mehrere. Thomas Danneberg wäre da unbedingt zu nennen, da er schon so lange dabei ist, so vieles schon gemacht hat und sehr vielseitig ist.
Er spricht ja sowohl Silvester Stallone als auch Arnold Schwarzenegger. Und vielen Leuten fällt nicht auf, dass es der gleiche Sprecher ist, obwohl beide ja im gleichen Genre angesiedelt sind. John Cleese von Monty Python dagegen ist wieder etwas ganz anderes, und das macht er ebenso überzeugend und mit viel Witz. Das gefällt mir persönlich so gut, dass ich kaum Interesse an den Monty-Python-Originalfassungen habe, weil ich einfach mit diesen deutschen Synchronfassungen aufgewachsen bin.
Vieles davon hat ja Arne Elsholtz gemacht Die ganze Truppe mit Thomas Danneberg, Arne Elsholtz, Michael Nowka und Uli Gressieker,, die die Monty-Python-Filme synchronisiert haben, ist einfach genial. Und für mich als Synchronsprecher ist man da wirklich positiv neidisch und sagt: «Wow! Echt toll gemacht!»
Können Sie von der Synchronarbeit gut leben?
Bisher war und im Moment ist es so, dass ich davon gut leben kann – toi toi toi. Man muss aber ehrlich sagen, dass es in dieser Branche als Mann einfacher ist denn als Frau. Generell gibt es nämlich weniger Frauen- als Männerrollen, und ab einem bestimmten Alter werden das dann nochmal weniger. Da die Branche sozusagen sehr voll ist, es viele Leute gibt, die Synchronisieren wollen, herrscht natürlich auch ein gewisser Konkurrenzkampf.
Was halten Sie davon, dass bei Animationsfilmen, deren Rollen im Original von Stars gesprochen werden, bei den deutschen Synchronfassungen oft nicht deren angestammte deutsche Stimmen zum Einsatz kommen, sondern Comedians oder bekannte deutsche Schauspieler? Beispielsweise in Madagaskar für Ben Stiller nicht Oliver Rohrbeck, dessen langjährger Sprecher, sondern Jan Josef Liefers.
Für uns Synchronsprecher ist das eigentlich ein großes Ärgernis. Doch auch das wird in den USA entschieden. Denn die berühmten Sprecher der Originalfassungen sollen ja den Film verkaufen und Publikum ins Kino locken. In Deutschland wird das bei der Synchronfassung dann genauso gemacht und auf Schauspieler gesetzt, die einen Namen haben. Synchronsprecher dagegen sind nicht bekannt, haben keine Lobby. Ob diese Vorgehensweise gut ist oder nicht, das ist dann wieder eine ganz andere Sache. Ich persönlich finde es sehr schade, denn es gibt in der Synchronbranche tolle Leute mit super Stimmen, die das super machen könnten
Aber es ist schwer zu vergleichen. Die Synchronsprecher machen diesen Job ja nicht ohne Grund. Sie können synchronisieren, und das ist auch in Ordnung so. Ich persönlich wäre wahrscheinlich kein guter Schauspieler. Ich hab's zwar noch nicht probiert, aber ich kann's mir auch nicht vorstellen. Und umgekehrt ist es ähnlich: Es gibt super Schauspieler, die im Synchronatelier dann versagen. Das sind einfach ganz unterschiedliche Arbeitsweisen, die man überhaupt nicht miteinander vergleichen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.