Der Schweizer Film
Kulturpolitik im Wandel: der Staat, die Filmschaffenden, das Publikum
Der schweizerische Film wird hier nicht als eine Abfolge von Filmen und Filmmoden begriffen, sondern als Wechselspiel zwischen Akteuren
Dieses Buch schlägt einen Bogen vom Jahr 1935 bis zu den neuesten Entwicklungen und beschreibt zum ersten Mal die wechselnden Beziehungen zwischen den staatlichen Stellen, den Filmschaffenden und dem Kinopublikum, die sich in mehrfacher Hinsicht als ein explosives Dreieck entpuppten.
Der Autor legt überzeugend dar, wie diese drei Akteure in einem sich verändernden soziokulturellen und medialen Kontext agieren, reagieren, interagieren. Er untersucht die mannigfaltigen Strategien der Cinéasten und Produzenten, aber auch das Handeln der Staatsbeamten sowie den Platz, den der Filmzuschauer einnimmt: Dabei zeigt er auf, wie die Filmpolitik in der Schweiz wirklich funktioniert. Es ist eine Tatsache, dass die siebte Kunst ohne staatliche Unterstützung nicht überleben kann, zumindest in Europa nicht. Doch darf der föderalistische Bundesstaat überhaupt in die Kulturpolitik eingreifen? Und, wenn ja, mit welchem Ziel und welchen Mitteln? Diese Ambiguität und die Polemik zwischen der Bundesverwaltung in Bern und den Kantonen – im klassischen Spannungsfeld zwischen Kunst und Staat – bildeten den Nährboden für die ungewöhnliche offizielle Zuerkennung eines nationalen Ranges dem noch jungen Medium, im Kontext der 1930er Jahre, sowie – nach etlichen Debatten – für das Filmgesetz von 1963. Es folgt dann, Schlag auf Schlag, dessen spektakuläre Neuausrichtung auf den Autorenfilm in den 1970er-Jahren, die langsame Integration des Kleinbildschirmes in den 1980ern sowie, in neuester Zeit, die unerwartete staatliche Fokussierung auf den Publikumserfolg. Die Filmbranche profitierte von der öffentlichen Hand, die ihre Unterstützung im Laufe der Zeit um ein Fünfzigfaches, von 1 Million auf 50 Millionen Schweizer Franken, erhöhte. Die Konturen dieser nationalen Kinematographie, von der die staatliche Hilfe heute nicht mehr wegzudenken ist, haben sich dabei wiederholt grundlegend verändert.
Diese gut dokumentierte und dabei leicht lesbare, immer spannende Analyse dieser etwas anderen Kulturpolitik wird eine spezialisierte wie auch eine breitere interessierte Leserschaft ansprechen.
Inhalt
1: EIN EXPLOSIVES DREIECK: DER STAAT, DER FILM UND SEIN PUBLIKUM
Der Film wird in der Schweiz und in Europa zu einer «nationalen Frage»
Ein Land «ohne Kulturpolitik» ...außer im Filmbereich. Eine sehr unschweizerische Ausnahme.
Ein blinder Fleck in der Forschung: der Staat
Zwischen «Trio» und «Dreiecksbeziehung»:
Beschreibung einer Konstellation
2: DER STAAT ALS ZUSCHAUER: EINE ERSTE FILMPOLITIK UND IHR SCHEITERN 1935-1945
Die «Vorgeschichte» der Filmpolitik
«Hollywood bei Montreux»:
Der Traum der Schweizer Filmindustrie
Eine nationale Konferenz in Bern:
«Aussprache über die gegenwärtige Lage im schweizerischen Filmwesen» (1935)
Kultur versus Wirtschaft:
Die eidgenössische Studienkommission für das Filmwesen
Vier Berichte für Schweizer Filme von «Qualität» (1936)
Erste Instrumente: die Schweizerische Filmkammer (1938) und die Schweizerische Filmwochenschau (1940)
Der (un)erwartete Boom des Schweizer Films inmitten des Weltkriegs
Eine Diskussion entbrennt – und stockt (1941-1943):
Den Film fördern: Ja – aber wie?
Eine Hiobsbotschaft: Es braucht ein eidgenössisches Filmgesetz!
Filmbranche gegen Staat: Der Interessenvertrag der Branche und das allgemeine Interesse
Des Anfangs Ende (1945): ungenutzte Bundesgelder, gescheiterte Politik
3 DER STAAT verhandelt: ERSTE ANSÄTZE EINES FILMGESETZES 1945-1963
Die Filmförderung an einem toten Punkt
Filmwirtschaft versus Filmkultur:
Das gespaltene Filmwesen
Amerikanischer Traum der Zürcher Produzenten ausgeträumt
Der Staat übernimmt wieder das Zepter: Umwandlung der Filmkammer (1951) und Schaffung der Sektion Filmwesen
Erfolgreicher Rückzug des – Deutschschweizer – Films in schweizerische Themen
Der Filmartikel in der Vernehmlassung:
Stellungnahme von 93 Organisationen und 25 Kantonen
1958: Das Volk stimmt für den Film – ein doppeltes Missverständnis?
Auf ein Filmgesetz hin – doch was für eines?
Vier Jahre und acht Vorprojekte
Auftritt des jungen Innenministers Hans Peter Tschudi.
Produzenten wollen Scheinehe eingehen
Produktionsförderung oder nationales Filmstudio?
Das folgenschwere Zögern der Produzenten
Drei staatliche Kriterien für die Filmevaluation:
Der künstlerische Wert wird in letzter Minute einbezogen
Das Filmgesetz (1963): die Rettung der einheimischen Produktion?
4: Der Staat als Schiedsrichter: Kampf um eine Neudefinition des schweizer films 1963-1970
Veränderte Filmwelt: Das Fernsehen gewinnt an Bedeutung, «neue Filme» kommen auf
Der Schweizer Film um 1960: «Krise», «Misere» ... und eine kleine Schweizer «nouvelle vague»
Eidgenössische Filmkommission, Expertenkomitees, Jury:
Neue Spielregeln im Schweizer Film
Leiter der Sektion Film: ein Anwalt und gefallener Produzent von Big-Budget-Filmen
Das Manifest der Filmschaffenden: «Der Staat ist unsere einzige Chance»
Eine erste Bresche im Gesetz: «Extraprämien» des Staates für Produktionsfirmen in Bedrängnis Kooperation und Konfrontation mit dem Staat: die doppelte Strategie der Filmschaffenden
Eine Politik für wen? Ein zögernder Apparat, unzufriedene Produzenten und Filmschaffende
Staat versus Fiktion? «Brigitte Bardot, so was wollen wir nicht bei uns»...
1965: Qualitätsprämie für eine Großproduktion. Staatliche Unterstützung für den kommerziellen Film?
Produktionsfirmen in Bedrängnis, Abkehr von einem nationalen Filmstudio
Sprungbrett für junge Filmautoren: «Studienprämien» und Drehbuchbeiträge
Resolution der Filmgestalter: eine Revolution in 1 Stunde 45 Minuten (1967)
Niederlage des neuen kommerziellen Schweizer Films:
Staat der Unterstützung von Outsider-Filmen bezichtigt
Zu viele Filme, zu wenig Politik ...
Ein Gesetz für «die junge Garde»!
5: Der Staat als Mäzen: Der willkommene Aufschwung des neuen Schweizer Films 1970-1993
Konsens um Kunst: eine «politique des auteurs».
Die Revision des Filmgesetzes (1970)
Ein Autorenkino ohne Staat?
Das Nationale Filmzentrum oder der zerstörte Traum der Filmschaffenden
Ein junger Filmkritiker an der Spitze der Sektion Film.
Die Institutionalisierung des Autorenkinos
Sichtbarkeit im Ausland: eine organisierte und zweiseitige internationale Aura
Der Staat fördert (und nährt) die Kritik: umstrittene «extremistische» Dokumentarfilme
Zugang in die Kinosäle verwehrt: Klage der Filmschaffenden gegen die Verleiher
Ein unzureichender Filmkredit: die verzweifelte Suche nach Geld und Koproduktion mit dem Ausland
Erste Publikumserfolge für den Neuen Schweizer Film, die für Aufruhr sorgen
Krisengeschüttelte Sektion Film, ein «Bundesamt zur kulturellen Entmutigung» ..., doch der Filmkredit wird erhöht
Ein Regisseur leitet die Sektion Film.
Ausdehnung nach Europa: internationale Abkommen, MEDIA, Eurimages
Filmschaffende gegen Totalrevision des Filmgesetzes ... und gegen den «totalitären Einfluss» der USA
6: Der Staat als Produzent: Erweiterungen, Zweifel, Polemik 1993-2010
Der Putsch der Produzenten: Die Assisen von Locarno und die «Financière du cinéma» (1994).
Ein nie veröffentlichtes Weißbuch zum Schweizer Film
Umbruch in der Sektion Film: auf die autorenfreundliche Gewerkschafterin folgt ein integrierender Anwalt
Die automatische Förderung Succes Cinema belohnt die gesamte Filmherstellungskette – einschließlich der Filmschaffenden.
Publikum versus Zuschauer
Konsolidierung: Pacte de l'audiovisuel, neues Gesetz – und ein Filmkredit im «Notstand»
Charlie und Eugen: staatlich subventionierte (Deutschschweizer) Kassenerfolge ... und ihr Verschwinden
Neue (Westschweizer) Autoren. Die Doegmeli-Bewegung, eine verpasste Chance für den Staat?
Bienvenue en Suisse? Die Köpfe rollen.
Ein umtriebiger Diplomat an der Spitze der Sektion Film (2005)
Der Staat als Produzent ... und Star.
«Popularität und Qualität»: vom Slogan zum Programm
Der Schweizer Film: Rückzug vom internationalen aufs nationale Parkett.
Die neue Rolle der wissenschaftlichen Expertise Klagen und Polemik:eine unvollendete – oder anhaltende – Revolution?
7: Die Risiken und Herausforderungen einer Politik der Siebten Kunst
Zwei gegensätzliche Modelle einer Filmpolitik: Autonomie und Heteronomie
Die zwei Modelle einer Filmpolitik (Grafik)
Die Rolle des Staats: Mäzen, Produzent
Film und Subvention: Subversion, Diversion
Der Platz des Publikums: Kinozuschauer, Bürger-Konsumenten
Für einen neuen «Vertrag» zwischen Staat, Filmschaffenden und Publikum