Montage AV [2/2009]] 160 Seiten, 70 Abb., 148 x 208 mmMärz 2010 12,80 € vergriffenISBN 978-3-89472-471-9 |
Porno [Montage AV 2/2009]
montage/av
Pornografie ist allgegenwärtig in den konvergenten Medienumgebungen von heute. Mit der Verbreitung von Video seit den frühen 1980er Jahren entwickelte sich die Pornoindustrie zu einer Branche, die allein in den USA im vergangenen Jahrzehnt mit rund 11.000 produzierten Filmen jährlich bis zu 14 Milliarden Dollar erwirtschaftet hat. Amateure und Gratisportale haben dieses Angebot signifikant erweitert und die mittelgroßen Unternehmen auf dem Markt zugleich in einen scharfen Wettbewerb um schrumpfende Einnahmen und innovative Auswertungsformen (etwa auf mobilen Endgeräten) gedrängt. Nie erreichte der Porno so viele – und so verschiedene – Öffentlichkeiten wie in der Gegenwart dieser beständig emergierenden Distributionskanäle. So macht sich seit den späten Neunzigern neben Erotikmessen wie der „Venus" und einer stetig anwachsenden Bekenntnisliteratur auch ein Wiederaufleben der Porn-Chic-Welle der 1970er bemerkbar. War es damals noch der abendfüllende Pornospielfilm, so etwa DEEP THROAT (Gerard Damiano, USA 1972), der die kunst- und kulturaffine Mittelschicht mit pornografischen Inhalten im Kino ansprach, so sind es heute Pornofilmfestivals und Post-Porn-Symposien, die dem Diskurs um die Repräsentation des Sexes Raum geben. Großausstellungen wie „The Porn Identity" (Kunsthalle Wien 2009) behaupten gar, eine allgemeine „Pornification" der Gesellschaft und ihrer medialen Verfasstheit, die sich schließlich auch in der Ausweitung der Kategorie des Pornografischen selbst niederschlägt: Solches wird nun im Avantgardefilm ebenso beobachtet wie in B-Movies, in japanischen Comics ebenso wie im Hollywood-Mainstream. Sogar die Filmarchive, lange Zeit Inbegriff konservativer Forschungspolitik, bekennen sich zu ihren Beständen an Pornos: Das Nederlands Filmmuseum Amsterdam unter Leitung von Ronald Simons hat kürzlich mit der systematischen Auswertung der dort überlieferten rund 600 erotischen Titel begonnen, während die Königliche Bibliothek Schwedens über einen Bestand von rund 500.000 Sexfilmen verfügt, die im Rahmen eines Gesetzes zur Pflichtabgabe seit 1979 gesammelt und gegenwärtig digitalisiert werden, und im Filmarchiv Austria lagert die Produktion der ersten österreichischen Filmproduktionsfirma, der Saturn-Film (1906-1910), die ausschließlich pornografische und erotische Filme herstellte – die Liste ließe sich problemlos fortsetzen.
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Inhalt
Inhalt:
Linda Williams: Film-Körper. Gender, Genre und Exzess
Andrea B. Braidt: Erregung erzählen. Narratologische Anmerkungen zum Porno
Patrick Vonderau: Serien, Seriosität und die Öffentlichkeit der Pornografie: Ein Interview mit dem Porno-Produzenten Harry S. Morgan
Harry S. Morgan: Kriminal Tango. Blaulicht und harte Touren (Drehbuch)
John Mercer: Gay for Pay: Das Internet und die Ökonomie des homosexuellen Begehrens
Marc Siegel: Bruce LaBruce. Post-Pornograf wider Willen
Ingrid Ryberg: Maximierte Sichtbarkeit. Visuelle Strategien in feministischer und lesbischer Pornografie
Mariah Larsson / Olof Hedling: Skandinavische Lust und europäisches Kino. Eine schwedische Filmografie
Hans J. Wulff: Die kontextuelle Bindung der Filmbilder: on, off, master space. Ein Beitrag zur Raumtheorie des Films